< Madelaene Wickham

"Pläne und Charts habe ich immer geliebt."

Ein Gespräch mit Madeleine Wickham.

Viele Anfänge und dann gut vier Monate Arbeit in den Abenden hatte es gekostet, dann hatte Madeleine Wickham ihren ersten Roman geschrieben. Sieben Verleger wollten das Buch kaufen, im letzten Sommer erschien es dann bei Black Swan in London, wo die 26jährige auch lebt. Und Die Tennisparty wurde zum Riesenerfolg. Nun ist das hübsche Buch bei C. Bertelsmann in einer ausgezeichneten Übersetzung von Sabine Lohmann in Deutschland erschienen, und anläßlich der Auslieferung kam Madeleine Wickham nach München und Berlin, um daraus zu lesen.

Das Buch selbst handelt von einer Wochenendparty in der Nähe von London. Vier Paare - drei im heiligen Stand der Ehe, eines bestehend aus Vater und Tochter - wollen Doppel-Mix spielen, und, ja, der Gastgeber will ein Investmentpaket verkaufen, um sich die große Jahresprämie noch zu sichern, wovon seine Frau freilich nichts weiß. Man ahnt es schon: Sowas kann kaum gutgehen, und so wird das Wochenende dann auch zu manch Bitterem führen, wiewohl das Ganze in durchaus heiterem Ton verfaßt ist. (Und Wickhams Sarkasmen sind subtil.)

Wir trafen Madeleine Wickham im Kempinski in Berlin und sprachen mit ihr über ihren Roman, das Leben in London, das Schreiben und ihre Pläne.

B: Über Ihr Buch will ich eigentlich gar nicht lange reden. Ich weiß ja nicht, wie Ihnen das geht, aber ich konnte es noch nie leiden, wenn Journalisten Autoren zwingen, ihr Werk zu erklären.

MW: Ja, das mag ich auch nicht sonderlich. Ich finde das auch immer sehr schwierig, obwohl man sich natürlich daran gewöhnt. Aber lieber ist es mir, wenn Leser sich einfach ihr eigenes Bild machen.

B: Trotzdem gibt es da natürlich schon so zwei drei Fragen. Also, in einem englischen Artikel hieß es, in der Tennisparty entwickelten sich die Dinge vom Schlechten zum noch Schlechteren. Und am Ende ist es ja auch aus mit der Freundschaft der Männer. Aber immerhin scheint es auf der anderen Seite ja auch etwas Positives zu geben, entwickelt sich doch eine neue Freundschaft zwischen den Frauen. Überhaupt hat man während des ganzen Buchs den Eindruck, daß die Männer sich vor allem von Geld und Macht leiten lassen, während die Frauen doch deutlich menschlicher scheinen. Glauben Sie denn, daß das so ist in der Welt? Sind Frauen - von einem moralischen Standpunkt aus gesehen - die besseren Menschen?

MW: Also, nein. Bestimmt nicht. Und das wollte ich auch keinesfalls zeigen. Ich hatte auch nicht vor, die Frauen anders zu gestalten als die Männer. Ich hatte die einzelnen Figuren vor Augen. Und ich war schon ziemlich überrascht, als mir jemand sagte, daß die ganzen Männer die Bösen wären und die Frauen die Guten. Und ich konnte nur sagen, hey, ja, scheint Du hast recht. Aber ehrlich, mir war das nie aufgefallen. Ich sah immer nur die ganz spezifischen Figuren, die sich so und so verhalten. Das hatte für mich mit dem Geschlecht nichts zu tun. Und ich bin mir sicher, daß sich Beispiele finden lassen, wo es genau anders herum ist.

B: Fein. Ich bin beruhigt. Also, ein kleines Detail gibt es da noch, das mich interessiert. Patrick sehnt sich so sehr nach diesem ganz speziellen englischen Landleben, das ich nur aus Romanen kennen - von Evelyn Waugh oder kürzlich erst von Stephen Fry. Gibt es das eigentlich im wirklichen Leben, oder war das immer nur eine Erfindung der Autoren? Ich meine, Patrick wirkt ja nicht gerade zufrieden mit dem, was er tatsächlich hat...

MW: Er ist nicht zufrieden. Und ich glaube, er hat sich aus all diesen Quellen, den Büchern und Filmen, eine Vorstellung zusammengebastelt, der er nachjagt. Und es kann gut sein, daß sein Traum insofern überhaupt nicht erfüllt werden kann. Aber, wie auch immer, vielleicht gibt es diese Haushalte aus Wiedersehen mit Brideshead heute nicht mehr, aber es gibt gewiß noch eine ganze Menge Leute, die sich dem Landleben hingeben, die in großen schönen Häusern wohnen und auf äußerst angenehme Weise ihre Zeit verbringen. Mit Schreiben, Partys, Jagen und so. Ich meine, wahrscheinlich haben sie da heute keine 56 Bedienstete mehr. Aber es gibt das noch, wenn freilich auch die Phantasie bei all dem eine große Rolle spielt.

B: Und wo wohnen Sie selbst?

MW: Ich lebe in London.

B: In der City?

MW: Nein, ein bißchen weiter draußen. Aber früher habe ich tatsächlich auf dem Land gelebt - in einem Dorf in Dorset. Ich habe also richtiges Landleben kennengelernt.

B: Und wollen Sie dann irgendwann einmal zurückgehen?

MW: Aufs Land?

B: Ja.

MW: Nein. Ich glaube nicht, daß ich da wieder sein wollte. Ich meine, das Landleben hat natürlich seine angenehmen Seiten. Die Leute fühlen enger miteinander verbunden, und außerdem mag ich weite Felder und Kühe und so. Aber zurück wollte ich trotzdem nicht.

B: Für längere Zeit würden Sie es also nicht mehr aushalten.

MW: Genau.

B: Nun, das Stadtleben bietet ja all diese Möglichkeiten. Wir haben das ja auch hier in Berlin, wo es immerhin mehr Kinos gibt als in London -

MW: Tatsächlich?

B: Ja, es ist erstaunlich, nicht? Also: Kino, Theater - gehen Sie oft aus?

MW: Hm, da gehöre ich wohl zu diesen typischen Londonern, die das alles nicht nutzen, was sich vor ihrer Haustüre befindet. Aber es ist sehr schön, immerhin die Möglichkeiten zu haben. Am Ende nutzt man sie dann halt doch kaum. Ich glaube, das liegt einfach in der menschlichen Natur. Ich gehe zwar relativ oft ins Kino, aber Leute, die London besuchen kommen, nutzen das Angebot sicher viel intensiver, als ich es je genutzt habe.

B: Wie es der Zufall wollte, habe ich ja ein paar Wochen, bevor ich Ihr Buch gelesen habe, einen anderen Erstling gelesen, der auch an einem einzigen Wochenende spielt, an dessen Ende sich die Dinge mächtig verändert haben, nämlich Martin Amis' Dead Babies. Haben Sie das gelesen?

MW: Tut mir leid.

B: Nun, es ist kein sehr fröhliches Buch -

MW: Was der Titel vermuten läßt.

B: Ja, allerdings. Nun, ich fand es einfach bemerkenswert, daß sich zwei Autoren für ihr erstes Buch exakt dieselbe zeitliche Struktur vorgeben. Aber, wie auch immer, gibt es denn irgendwelche zeitgenössischen Autoren oder auch Dead Poets, die Sie besonders bewundern, oder die Sie in irgendeiner Weise nachhaltig beeinflußt haben?

MW: Ich glaube, ich bin keine besonders gute Adressatin für diese Frage. Ich kann nicht sagen, besonders belesen zu sein. Ich gehöre nicht zu jenen, die sich schon von frühesten Kindesbeinen an mit Literatur beschäftigt haben, und ich habe ja auch etwas anders studiert. Ich habe immer mehr kreuz und quer gelesen. Aber ich glaube, wen ich besonders gern mag, das ist Anthony Trollope, der wirklich ein wunderbarer Geschichtenerzähler ist. Und dann liebe ich vor allem Jane Austen. Und ich mag David Lodge sehr gern und Margarete Drabble, die Schwester von A.S. Byatt.

B: Lesen ist für Sie also in erster Linie stets eine Art der Unterhaltung?

MW: Ja, definitiv.

B: Arbeiten Sie eigentlich immer noch als Journalistin?

MW: Nein, nicht mehr. Aber ich mache noch hin und wieder ein paar Sachen für das Financial Times Magazine. Am Anfang wollte ich den Job möglichst lange behalten, einfach der Kontinuität wegen. Aber dann wurde es schließlich wirklich zuviel. Und ich wollte mir als Romanschriftstellerin die beste Chance geben.

B: Das heißt, daß Sie jetzt also den ganzen Tag schreiben können - und nicht nur am Abend?

MW: Ja. Ja, das ist ein ziemlicher Luxus - nicht erst anfangen zu müssen, wenn ich aus dem Büro nachhause komme.

B: Und wie sieht dann so ein typischer Arbeitstag für Sie aus?

MW: Naja. Das ist verschieden. Aber typischerweise stehe ich um 8 auf, frühstücke und gehe dann an den Rechner.

B: Das wäre meine nächste Frage gewesen: Sie arbeiten also direkt am Computer?

MW: Ja, ich haue das direkt rein. Und ich könnte gar nicht anders.

B: Wir waren beim Frühstück stehen geblieben. Und beim Gang zum Computer.

MW: Ja, dann setze ich mich an die Maschine, und dann kommt es darauf an. Ich zwinge mich nicht, eine bestimmte Zeit dort zu sitzen. Ich versuche eher, eine bestimmte Zahl von Wörtern zu schreiben.

B: Das ist dann ja ein echter Vorteil von Textverarbeitungsprogrammen...

MW: Ja, gewiß. Ich bin immer dabei zu zählen, um dann wieder ein Kreuzchen in meinem Plan machen zu können. Pläne und Charts habe ich immer geliebt. Als ich mich zum Beispiel aufs Examen vorbereitet habe, habe ich immer hübsche kleine Zeitpläne entworfen und dann abgehakt, was ich gelernt habe. Das ist natürlich ziemlich kindisch, aber es hilft voranzukommen.

B: Und dann schreiben Sie manchmal bis in den Abend hinein.

MW: Manchmal kommt das vor.

B: Und wie ist das mit Ihrem Mann. Er ist -

MW: Sänger, ja. Und so ist er manchmal länger zuhause und dann wieder unterwegs. Wir sind beide ziemlich flexibel.

B: Und stört es Ihre Arbeit, wenn er da ist?

MW: Neinnein, das ist sehr schön.

B: Aber Sie schließen Ihre Tür?

MW: Ja, wenn ich schreibe, mache ich die Tür hinter mir zu, und er geht ans andere Ende der Wohnung. Aber dann trinken wir gemeinsam Kaffee, und wir reden über unsere Arbeit. Und er liest meine Sachen.

B: Als erster?

MW: Und einziger. Bevor es rausgeht.

B: Und so schreiben Sie jetzt an Ihrem zweiten Roman?

MW: Am dritten. Den zweiten habe ich letztes Jahr geschrieben, als der erste herauskam und ich noch als Journalistin gearbeitet habe.

B: Ist der zweite denn schon veröffentlicht?

MW: Nein, noch nicht. Er kommt im Sommer heraus. Und er heißt A Desirable Residence. Den deutschen Titel kenne ich allerdings noch nicht.

B: Würden Sie uns denn gerne etwas über die Geschichte erzählen?

MW: Ja, klar. Es geht um drei Familien, die alle durch dasselbe Haus miteinander verbunden sind. Die Beziehungen untereinander werden allerdings zunehmend komplizierter. Und dann kommt es irgendwann zur großen Krise.

B: So daß sich die Sachen dismal vom Guten zum Schlechten entwickeln?

MW: Ja, das könnte man so sagen. Für einige von ihnen geht es allerdings dann doch wieder eher vom Schlechten zum noch Schlechteren... Aber, nun ja, es gibt schon Humor im Buch, und es passieren einige komische Dinge...

B: Wenn Sie einen Roman vorbereiten, machen Sie sich dann viele Notizen und Übersichten?

MW: Ja, ich entwickle zunächst einen allgemeinen Plan für das Buch und skizziere die Figuren. Und bevor ich dann wirklich anfange, plane ich den Ablauf den ersten vier Kapitel. Wenn diese dann geschrieben sind, gibt es einen Entwurf die nächsten vier. Und so weiter. Und natürlich ändern sich manche Dinge dann unterwegs. Aber letztlich bleibe ich ziemlich nahe am ursprünglichen Plan.

B: An Ihrem ersten Buch haben Sie, wie ich gelesen habe, vier Monate gearbeitet. Und am zweiten?

MW: Ein Stück länger. Ungefähr sechs Monate.

B: Und gearbeitet haben Sie nur an den Abenden und am Wochenende?

MW: Ja, genau. Und für den dritten werde ich wohl wieder fünf bis sechs Monate brauchen, was seltsam scheint anbetrachts der Tatsache, daß ich jetzt ja den ganzen Tag daran arbeiten kann, aber ich glaube einfach nicht, daß es gut ist, so etwas in eine zu kurze Zeitspanne zu pressen. Die Dinge müssen einfach auch überdacht werden und reifen. Und dann mache ich ja noch ein paar andere Sachen, für das Magazin zum Beispiel.

B: Aber Sie legen keine längeren Pausen ein, wenn Sie an einem Buch schreiben. Ich meine, ich habe gelesen, daß Sie Ihren Mann hin und wieder auf Tour begleiten.

MW: Nun, das letzte Mal, daß ich ihn begleitet habe, war im August. Da war er in Venedig, und ich konnte einfach nicht widerstehen.

B: Was ich verstehen kann.

MW: Ja, das war fein. Jedenfalls denke ich, daß es im allgemeinen nicht ratsam ist, längere Pausen einzulegen. Aber letzten Winter war ich dazu gezwungen - da wurde ich nämlich krank. Ich hatte eine üble Grippe und mußte vier Wochen gänzlich pausieren. Aber es war nicht so schlimm. Als ich wieder gesund war, habe ich einfach wieder angefangen. Und ich hatte Zeit, über alles nachzudenken.

B: Also kein Problem?

MW: Nein, kein Problem. Ich meine, man kann sich in alle möglichen Probleme hineinsteigern, aber ich habe es nie als eines gesehen, und dann war es auch keines.

B: Wenn Sie jetzt ihren dritten Roman schreiben, denken Sie dann hin und wieder schon an den vierten? Ich meine, wenn man eine Geschichte aufschreibt, hat man an jedem Punkt so unglaublich viele Möglichkeiten sie weiterzuführen, und letztlich muß man sich ja für eine entscheiden. Insofern könnte ich mir gut vorstellen, daß man, während man gerade an einer Geschichte arbeitet, eine ganze Menge Einfälle für weitere bekommt.

MW: Ja, absolut.Manchmal fragen mich Leute, wie es nur kommt, daß ich so viele Ideen habe, aber Tatsache ist, daß in jedem Buch nur sehr wenige Ideen verwirklicht werden können.

B: Und jedes Buch bringt neue Ideen mit sich?

MW: Definitiv.

B: Also werden Sie, nachdem Sie ihren neuen Roman beendet haben, eine Pause einlegen, um über all die neuen Ideen nachzudenken?

MW: Ja, und ich glaube, ich werde mir ein bißchen Zeit lassen, bis ich wieder anfange zu schreiben, denn das aufregendste ist es wirklich, einen neuen Roman zu planen.
 

Mit Madeleine Wickham sprach Steffen Huck.