Neue Comics aus dem Herbst 1996


Enki Bilal, Blaues Blut, Ehapa

41 großformatige Zeichnungen und 10 Gemälde erzählen die Geschichte einer Liebe. Und die Bilder sind so kühl wie die Welt, in der sie spielen. Irgendwo gibt es dann noch kleine Texte, die den Bildern zugeordnet sind, und auf subtile Weise die scheinbare Linearität der Bilderfolge aufbrechen. Ein extremer Band von eigentümlichem Reiz, der auch durch seine prächtige Ausstattung zu gefallen weiß.

Busiek/Ross, Marvels, Feest

Die amerikanischen Kritiker kriegten sich kaum mehr ein nach dem Erscheinen von Marvels und überhäuften die vierteilige Serie, die hier in einem Band mit ausführlichem zusätzlichen Hintergrundmaterial abgedruckt ist, mit Preisen. Wir sind im New York der 50er Jahre, und es tummeln sich dort die Marvelhelden. Ein Reporter stellt sie alle vor. Busiek und Ross haben eines der aufwendigsten Comics der letzten Jahre produziert - die Zeichnungen, die auf fantastisch realistische Weise Mensch, Marvels und Stadt abbilden und dabei auch auf ästhetische Weise die 50er Jahre im Kopf des Betrachters beleben (ein gewisses quer einfallendes Sonnenlicht scheint es nur in jenem Jahrzehnt gegeben zu haben) sind mit einer Sorgfalt hergestellt, die sonst üblicherweise nur für Covers zur Anwendung kommt.
Wer sich auch nur irgendwie für Comics interessiert, muß den Band einfach haben.

Will Eisner, Dropsie Avenue, Feest

Will Eisners graphic novel über die Geschichte der South Bronx in New York gehört zum besten, was das Genre derzeit zu bieten hat. Eisner ist vor allem ein Meister des Tempos, und es ist frappierend, wie es ihm mit sehr sparsamen Mitteln gelingt, aus einem zunächst langsamen Erzählfluß heraus die Geschichte immer wieder eskalieren zu lassen, um sie damit voranzutreiben. Was auch nötig ist, denn Eisner deckt mit rund 170 Seiten ein ganzes Jahrhundert ab - ein Unterfangen, an dem die meisten Autoren zweifelsohne gescheitert wären. Eisners Gespür für das Wesen der Stadt und die Dynamik ihrer Historie läßt Dropsie Avenue jedoch zu einem Werk werden, das einen Platz neben vielen großen New York-Romanen und Filmen verdient hat.

Michael Jan Friedman u.a., Star Treck: Shadowheart I, Feest

Der zweite Band der Star Treck Comic Reihe ist sicherlich weit weniger dynamisch & schnell als der erste. Er leidet vielleicht etwas an einer Marotte, an der jüngst auch mehr und mehr Filme leiden: Es gibt zu viele Nahaufnahmen. Immer wieder Gesichter, Gesichter. Schuß, Gegenschuß und keine Bewegung. Die Geschichte ist jedoch nicht uninteressant, und für Fans ist der Band ohnehin ein Muß.

Dieter Jüdt, Heimsuchung, Feest

Daß Bruno Schulz, den die Gestapo 1942 auf offener Straße erschoß, zu den Großen der Literatur der ersten Jahrhunderthälfte zählt, ist spätestens seit der Wiederentdeckung seines Erzählbandes Die Zimtläden vor einigen Jahren wieder ins kollektive Bewußtsein gerückt. Jetzt hat der dreißigjährige Dieter Jüdt sich daran gemacht, einige von Schulz Erzählungen mit Bildern nachzuerzählen. Und das ist ihm in beeindruckender Manier gelungen. Seine Bilder zeugen vom Schrecken und der Lust und vom Einbruch des Surrealen in die Welt.

Morris/Fauche, Lucky Luke: Belle Starr, Ehapa

Lucky Luke ist einfach nicht totzukriegen. Durch schnöde Pistolenschüsse bekanntermaßen ja sowieso nicht. Nach wer-weiß-wie-vielen Jahren ist er immer noch der Alte, und die Geschichten begeistern noch genauso wie am ersten Tag. Eigentlich ein Wunder - ist man doch immerhin schon bei Band 68 (!) der Reihe angelangt. Nun, wir hoffen Morris macht zumindest die 100 noch voll.

Don Rosa, Onkel Dagobert: Band 7, Ehapa

Don Rosa sagt, es sei ihm vorbestimmt gewesen, die Tradition von Carl Barks fortzusetzen. Und wer seine Geschichten liest, der glaubt es ihm.

Veitch/Andersen, Star Wars: Die Lords von Sith III, Feest

In kühlen Pastellfarben kommt die Geschichte daher, und das hat schon etwas Gemütsbewegendes & Irritierendes. Hinzukommt die famose Schnittechnik der Zeichner Gossett, Wetherell und Ensign. Virtuos lenken sie den Blick des Betrachters, und der kann sich dem Sog, der von den Bildern ausgeht, nicht entziehen. Ein famoses Heft!