Jens Borchert/ Lutz Golsch/ Uwe Jun/ Peter Lösche (Hg.):

Das sozialdemokratische Modell. Organisationsstrukturen und Politikinhalte im Wandel


Studien über rise oder fall der Sozialdemokratie sind zweifellos in. Der Sammelband "Das sozialdemokratische Modell" diagnostiziert ebenfalls eine Krise der Sozialdemokratie, die beispielsweise in schwindendem Wählerpotential und Mitgliederzahlen, in der bisher nur unzureichend erfolgter Adaption der Sozialdemokratie an veränderte politische und ökonomische Rahmenbedingungen und vielem anderen mehr zum Ausdruck gelangt. Der Band geht aber über die reine Bestandsaufnahme anderer Studien in mehreren Punkten hinaus. Er ist historisch und international vergleichend angelegt, bezieht also auch die Sozialdemokratie der USA, die Democrats, ein. Und er geht von einer doppelten Orientierungskrise der Sozialdemokratie aus: vom Verlust ideologischer Gewißheiten durch den Niedergang traditioneller Organisationskultur (so werden Solidaritätsnormen heute zB nicht mehr in Gewerkschaft- und Arbeiterkultur vermittelt) und von der Erschöpfung der traditionell sozialdemokratischen Politikinhalte: was "die Sozis" wollen und wollen sollen, ist innerhalb der Partei umstritten und wird kaum vermittelt. Reformperspektiven haben daher, so die Herausgeber in ihrer Einleitung, daher genau an diesen beiden Punkten anzusetzen. Sie müssen die Ebenen der policy, der materiellen Politik, der politics, der politischen Entscheidungsprozesse und der polity, der institutionellen Rahmenbedingungen für Politik, in die Untersuchung einbeziehen. Ansätze also, die nur die Strategien der Parteielite (also die politics) oder nur Globalisierung der Wirtschaft (polity) in Blick nehmen, sind defizitär.

Inhaltlich leistet der Sammelband zweierlei: Es wird - im ersten Block - bisherige sozialdemokratische Politik analysiert. Dazu werden auch internationale Vergleiche sozialdemokratischer Ära herangezogen und die "Ehe" von sozialdemokratischer Praxis und "ihrer" Wirtschaftstheorie, dem Keynsianismus, untersucht. Die Autoren zeigen mögliche Perspektiven der Sozialdemokratie auf, wenngleich sie - und das macht den Band sehr anregenswert - sehr unterschiedliche Prognosen offerieren: von den Thesen einer globalen Niedergangstheorie bis hin zu vorsichtig-optimistischen Ausblicken rangieren die Beiträge. Im zweiten Block werden Institutionen focussiert. Die Artikel konzentrieren sich auf den organisatorischen Wandel der Parteiapparate und auf sozialdemokratische Modelle zur Reform politischer Institutionen.

Die Beiträge des Bandes zeigen eine Fülle von Optionen, aber auch "Fallen" für die demokratische Linke und den Wohlfahrtsstaat auf und sind sowohl als Überblick über "linke Theoriemodelle" als auch als "Strategiepapiere" sehr lesenswert.

Christine Mühlbach.

Leske + Budrich